Der
Regen prasselte auf das Fenster der Dachwohnung in Bad Neuenahr.
Jakob Schmickler saß an seinem Schreibtisch und starrte gebannt auf
den Monitor seines Computers. In den letzten Tagen hatte dem Rechner
ein Virus zu schaffen gemacht. Würde das neuaufgespielte
Betriebssystem laufen? Aufgeregt griff er nach der leeren
Whiskyflasche neben seinem Rechner. Er wollte einen Schluck nehmen,
aber dann bemerkte er, dass die Flasche leer war. Daher also kamen
diese Kopfschmerzen. Gestern Abend hatte er in einem dieser Social
Media Netzwerke herumgesurft und wie der Zufall es wollte, war er auf
dem Profil seiner Exfrau gelandet. Dann fiel sein Blick auf die
Whiskyflasche und der Rest ist Geschichte. Das Klingeln des Telefons
riss ihn aus seinen Gedanken.
„Jakob
Schmickler, Ermittlungen aller Art“, meldete er sich
dienstbeflissen ohne sich die Kopfschmerzen anmerken zu lassen.
„Hallo
Herr Schmickler, hier ist Stellwart von Reiterhof in Krechelheim“,
tönte es aus dem Hörer. „Ich brauche ihre Hilfe. Hier bei uns
sind zwei Pferde verschwunden. Wir konnten die Hufspuren noch ein
Stück weit verfolgen, aber dann kamen wir nicht mehr weiter. Können
Sie vielleicht heute noch zu uns kommen?“
Eine
halbe Stunde später schnurrte Schmicklers alter Golf die Straße
nach Löhndorf hinauf. Gleich danach folgte Krechelheim. Schmickler
parkte den Wagen vor dem Stall und blickte sich um. Aus einer Ecke
kam Herr Stellwart angelaufen.
„Herr
Schmickler, gut, dass sie da sind“, sprudelte Herr Stellwart los.
„Bitte kommen sie...“
Herr
Stellwart drängte Schmickler auf die obere Reithalle zu. Dahinter
lagen einige Weiden.
„Was
genau ist den passiert?“, fragte Schmickler im Gehen.
„Von
einer der Weiden dort oben sind zwei Pferde verschwunden; wertvolle
Turnierpferde wohlgemerkt. Die Spur führte runter ins Hellenbachtal
und verliert sich dort.“
Sie
hatten jetzt die Weide erreicht und Schmickler untersuchte den
Weideneingang. Die Spuren im aufgewühlten Boden waren gut
zu erkennen und führten zu einem nahegelegenen Weg. Schmickler und
Stellwart folgten den Spuren bis zu einem asphaltierten Feldweg.
„Dort
hinten geht die Spur weiter“, sagte Herr Stellwart und zeigte in
das Tal hinein. Schweigend gingen sie den geteerten Weg entlang.
Aufmerksam betrachtete Schmickler den Asphalt, aber auf der harten
Teerfläche war nicht viel zu sehen. An einer Stelle hielt er jedoch
an.
„Was
ist denn hier los gewesen?“, fragte er.
„Was
meinen sie?“, fragte Herr Stellwart.
„Hier
am Rand sind Reifenspuren, als ob hier ein Fahrzeug gestanden hätte.
Und das Fahrzeug hatte einen Anhänger.“
„Ja,
aber das kann nichts mit uns zu tun haben. Die Hufspuren gehen dort
unten weiter.“
Eilig
lief Herr Stellwart zu der angegebenen Stelle. Schmickler folgte ihm
zögernd. An einer Abzweigung begann ein neuer, nichtasphaltierter
Feldweg. Herr Stellwart wies mit dem Finger auf eine paar deutlich
sichtbare Hufabdrücke.
„Hier,
sehen sie? Da geht die Spur weiter.“
„Und
wo führt sie hin?“, fragte Schmickler.
„Sie
verliert sich dort bei der Weide, wo die Kühe stehen. Da ist der
Boden recht hart. Man kann dort nicht mehr viel erkennen.“
Schmickler
betrachtete den Weg. Er war an dieser Stelle von Gras überwachsen;
nichteinmal die Fahrstreifen waren zu sehen. Schmickler
untersuchte das Gras, aber es war zwecklos. Der Boden war hier
einfach zu hart, um Hufabdrücke zu finden.
„Wie
sieht es denn da hinten aus?“, fragte er.
„Keine
Ahnung“, antwortete Herr Stellwart. „So weit bin ich nicht
gegangen.“
„Schmickler
lief noch ein Stück den Weg entlang. Links und rechts waren
Weidezäune. Nach beinahe huntert Metern stand er vor einer großen
Schlammpfütze. Hufspuren waren hier jedoch keine zu sehen.
Nachdenklich drehte er sich um und ging zurück zu Herrn Stellwart.
„Merkwürdig,
dort hinten ist eine große Schlammpfütze, aber keine Hufabdrücke.
Wären dort zwei Pferde durchgegangen, müßte man das doch sehen
können.“
Nachdenklich
glitt sein Blick umher. Die Weidezäune boten keine Schlupflöcher.
Die einzige Möglichkeit wäre der Zugang zur Kuhweide. Schmickler
untersucht den Boden des Eingangsbereiches. Dort waren trotz einer
großen Schlammpfütze erstaunlich wenige Spuren zu finden.
Kurzentschlossen durchquerte er den Weidezaun und ging auf die Kühe
zu. Eine Jungkuh erhob sich schwerfällig und schaute ihn besorgt an.
Auch die anderen Kühe erhoben sich und blickten in seine Richtung.
Schmickler ging zwischen den Kühen hin und her und betrachtete
aufmerksam den Boden. In dem halbhohen Graus konnte er jedoch nichts
finden. Schließlich drehte er sich um und steuerte wieder auf
das Weidetor zu. Vor ihm lief eine Kuh, die durch seinen
überraschenden Besuch hochgescheucht worden war, auf die
Schlammpfütze am Eingang zu. Als das Tier die Schlammpfütze
durchquerte, geschah etwas merkwürdiges: Statt der Fußspuren einer
Kuh hinterließ sie Hufabdrücke! Schmickler blieb fast die Spucke
weg. Schnell lief er zu dem Tier hin und hob ein Bein in die Höhe.
Ein Hufeisen! Diese Kuh trug ein Hufeisen! Er winkte Herrn Stellwart
heran und zeigte ihm den Fuß.
Dieser
war außer sich: „Hufeisen? An einer Kuh? Das habe ich ja noch nie
gesehen! Wo gibt es denn sowas?“
Schmickler
untersucht die anderen Beine der Kuh. Alle waren beschlagen. Dann
untersuchte er die Beine der anderen Kühe. Tatsächlich fand er eine
zweite Kuh, die ebenfalls Hufeisen trug.
„Wem
gehören die Kühe?“, fragte er.
„Meinen
Nachbarn, den Schöffers. Ziemlich unangenehme Leute.“
„Dann
passt es ja“, sagte Schmickler. „Was aber können die mit den
gestohlenen Pferden anfangen?“
„Eigentlich
nichts. Die Pferde sind bekannte Turnierpferde. Wenn die bei
irgendeinem Rennen laufen, werden die sofort erkannt.“
„Sind
es Stuten oder Wallache?“
„Hengste“,
antwortete Herr Stellwart.
„Hengste?
Ich wußte gar nicht, dass Hengste bei Rennen eingesetzt werden.“
„Ein
guter Hengst der auch ein gutes Rennpferd ist, kann in der
Pferdezucht viel Geld einbringen. Da würde sich sogar ein Diebstahl
lohnen“, sagte Herr Stellwart.
„Dann,
glaube ich, weiß ich, was passiert ist: Die Pferde wurden von der
Weide gestohlen und weggeführt. An der Stelle auf der Straße wo die
Reifenspuren sind wurden sie in einen Hänger verladen. Statt ihrer
wurden zwei Kühe weitergeführt, die mit dem Hänger dorthin
gebracht worden waren. Zur Tarnung hatte man den Kühen Hufeisen
angelegt, damit sie eine falsche Fährte legen würden. Leider haben
die Täter vergessen die Eisen wieder zu entfernen. Sie brauchen
jetzt nur noch die Polizei anrufen und denen die Kühe zu zeigen.“
Am
nächsten Tag, als Schmickler wieder an seinem Schreibtisch saß,
klingelte erneut das Telefon. Am Apparat war Herr Stellwart.
„Herr
Schmickler, ich wollte mich ganz herzlich für ihre Hilfe bedanken.
Ohne sie hätten wir es nicht geschafft die Pferde wieder zu
bekommen. Die Tiere sollten tatsächlich für die Zucht irgendwo in
Osteuropa eingesetzt werden. Aber jetzt sind sie wieder da.“
„Gerne
geschehen“, antwortete Schmickler. „Und wenn sie mich wieder
brauchen, wissen sie, wo sie mich finden.“
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